Tokios schwebender Würfel

Im Herzen von Tokio steht seit 2021 ein eleganter Betonwürfel, der mit einer ungewöhnlichen Bitte in Auftrag gegeben wurde. Ein Besuch.

Kioi-Seido von aussen.
Das Gebäude von aussen. Asienspiegel

Direkt gegenüber dem renommierten Hotel New Otani im Tokioter Stadtteil Kioichō steht seit 2021 ein Gebäude, das optisch sofort ins Auge fällt. Es handelt sich um einen 15 Meter hohen, viergeschossigen Betonkubus ohne Fenster, der von einer Glasfassade umhüllt und von vier Säulen getragen wird. Eine Aussentreppe, die zwei Etagen im Inneren verbindet, macht das scheinbar schwebende Gebäude zum Blickfang. Sein Name ist Kioi-Seidō. Entworfen hat es der Architekt Hiroshi Naito. 2021 war die Eröffnung.

Eine lichtdurchflutete Treppenkonstruktion.
Eine lichtdurchflutete Treppenkonstruktion. Asienspiegel

Das Besondere an diesem Haus ist, dass der Bauherr, das RINRI Institute of Ethics, dem Architekten keine Vorgaben über den Zweck des zu errichtenden Gebäudes machte. Vielmehr sollte sich die Art der Nutzung dem vollendeten Bauwerk anpassen. Hiroshi Naito nahm diese Herausforderung an und schuf ein Bauwerk ohne spezifische Funktion. Das Kioi-Seidō sollte vielmehr offen sein für Projekte aller Art, so seine Vision. Das Erdgeschoss mit seinen vier Säulen verkörpert diese Idee. Dieser Bereich dient als offene, einladende Galerie. Von aussen gelangt man schliesslich über eine Treppe in den «Würfel», dessen Inneres aus vier lichtdurchfluteten Etagen besteht, die durch eine elegante Treppenkonstruktion verbunden sind.

Eine Ausstellung über die Wunderkiefer

Die gigantische Wurzel der Wunderkiefer von Rikuzentakata.
Die gigantische Wurzel der Wunderkiefer von Rikuzentakata. Asienspiegel

Wie dieses Gebäude genutzt werden kann, zeigte die Ausstellung über die 27 Meter hohe Rikuzentakata-Kiefer, die als einziger Baum des ehemaligen Takata-Matsubara-Waldes den Tsunami vom 11. März 2011 überstand und so zu einem landesweiten Symbol der Hoffnung wurde. Nur ein Jahr später wurde die Wunderkiefer jedoch morsch. Um sie zu retten, wurde ihr Stamm in fünf Teile zerlegt, ausgehöhlt, mit Konservierungsmitteln und einem Karbonpfahl versehen und schliesslich an ihrem ursprünglichen Standort wieder aufgerichtet (zum Artikel).

Die Ausstellung in der Kioi-Seidō-Halle erzählte die bewegende Geschichte der Wunderkiefer und der Menschen, die sich für ihre Erhaltung einsetzten. Ein ganz besonderes Objekt, das die Besucherinnen und Besucher zu sehen bekamen, war die gigantische Wurzel der Wunderkiefer, die genau wie ihr Stamm gelagert, zerlegt, sorgfältig konserviert und wieder zusammengesetzt wurde. Die Wurzel nahm flächenmässig den gesamten Raum des Erdgeschosses ein. Mit einer Tiefe von fast zwei Metern und einem Durchmesser von 13 Metern wurde den Besuchern vor Augen geführt, warum die Wunderkiefer dem verheerenden Tsunami vom 11. März 2011 standhalten konnte.

Für kurze Zeit geöffnet

Die Ausstellung über die Wunderkiefer wurde bis zum 9. Februar 2023 gezeigt und war sehr gut besucht. Seitdem ist das Kioi-Seidō-Haus geschlossen, da es, wie gesagt, keine besondere Funktion hat und nicht wie ein Museum an Öffnungszeiten oder einen besonderen Auftrag gebunden ist. Nun öffnet sich nach langer Zeit wieder ein kurzes Zeitfenster. Vom 15. bis 18. Oktober 2024, jeweils zwischen 10 und 15 Uhr, besteht die Möglichkeit, dieses besondere Gebäude von innen zu betrachten. Es lohnt sich, rechtzeitig vor Ort zu sein.

Ein Blickfang: Die Aussentreppe
Ein Blickfang: Die Aussentreppe Asienspiegel
Der Bau stammt vom Architekten Hiroshi Naito.
Der Bau stammt vom Architekten Hiroshi Naito. Asienspiegel
Ein Foto der Wunderkiefer in ihrer ganzen Pracht.
Ein Foto der Wunderkiefer in ihrer ganzen Pracht. Asienspiegel

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Der Standort von Kioi-Seido


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