Baumkuchen in Japan: Eine über 100-jährige Geschichte

Baumkuchen ist eines der beliebtesten Süssgebäcke in Japan. Zu verdanken ist dies einem deutschen Konditor und ehemaligen Kriegsgefangenen.

Baumkuchen in Japan: Eine über 100-jährige Geschichte

«Baumkuchen» ist ein deutsches Wort, das jeder Japaner kennt. Zu verdanken ist dies dem deutschen Konditor Karl Juchheim. Dieser brachte das traditionelle Süssgebäck 1919 nach Japan – unter nicht ganz freiwilligen Umständen. So geriet er 1914 in der chinesischen Stadt Tsingtao (Chingdao), die damals deutsches Pachtgebiet war und im Ersten Weltkrieg von den Japanern besetzt wurde, in Kriegsgefangenschaft.

Juchheim wurde mit anderen Deutschen auf der Insel Ninoshima in der Bucht von Hiroshima interniert. Am 4. März 1919 erhielten er und seine Mitgefangenen die Gelegenheit, in der Produktausstellungshalle der Präfektur Hiroshima – heute besser bekannt als Atombombenkuppel (zum Artikel) – handwerkliche Arbeiten vorzuführen. Juchheim präsentierte einen Baumkuchen. In Japan war dies eine absolute Neuheit (heute erinnert eine Gedenktafel in Ninoshima an diese Geburtsstunde – siehe Karte unten). Es dauerte allerdings noch einige Jahre, bis dieser deutsche Kuchen zum japanischen Klassiker wurde.

1920 wurde Juchheim aus der Kriegsgefangenschaft entlassen. Der Konditor beschloss, in Japan zu bleiben. Er holte seine Frau Elise und seinen Sohn nach. Zusammen eröffneten sie zuerst einen Laden in Yokohama, der durch das grosse Erdbeben von 1923 zerstört wurde (zum Artikel). Daraufhin zog die Familie nach Kobe und begann dort einen geschäftlichen Neuanfang. Der Zweite Weltkrieg bedeutete eine Zäsur für die Familie. Karl Juchheim starb einen Tag vor Kriegsende. Zuvor hatte er seine Konditorei wegen der Kriegsfolgen aufgeben müssen. Sein Sohn fiel als Wehrmachtssoldat in Europa. Elise Juchheim musste nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges auf Anordnung der Alliierten nach Deutschland zurückkehren.

Der Baumkuchen-Boom nach dem Krieg

Juchheims Mitarbeiter führten die Tradition fort und eröffneten ein neues Geschäft. 1953 durfte Elise Juchheim nach Japan zurückkehren, wo sie 1971 im Alter von 80 Jahren starb. In den Nachkriegsjahren etablierte sich der Baumkuchen vollends als beliebtes japanisches Süssgebäck. Heute wird er in fast allen Supermärkten und kleinen Konditoreien in den verschiedensten Variationen und Grössen angeboten.

Juchheim ist nach wie vor eine der bekanntesten Marken mit einem Marktanteil von rund 20 Prozent. Weitere bekannte Hersteller in Japan sind Jiichiro, Club Harie mit dem architektonisch beeindruckenden Hauptsitz La Collina in Omihachiman und Nenrinya.

Der Baumkuchen: Ein Standardangebot in Japan. Asienspiegel

Die Gedenktafel auf der Insel Ninoshima


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