Der Tag, an dem Tokio unterging
Eine Website rekonstruiert einen der verheerendsten Tage in der Geschichte der japanischen Hauptstadt.
Gestern vor 101 Jahren, am 1. September 1923, bebte die Erde in Tokio und Yokohama mit einer Stärke von 7,9. Kurz darauf brachen in der Hauptstadt 130 Brände aus. Es folgten verheerende Feuerstürme und fast 2000 Nachbeben. Am Ende forderte die Katastrophe 120'000 Tote. Die Hauptstadt war fast vollständig zerstört, 84 Prozent aller Häuser nicht mehr bewohnbar, 1,38 Millionen von 2,26 Millionen Einwohnern auf einen Schlag obdachlos. 7000 Fabriken, 121 Bankgebäude, 162 Spitäler und 117 Schulhäuser fielen dem Erdbeben zum Opfer.
Tage der Anarchie folgten. Banden machten Jagd auf Koreaner. Die Minderheit wurde für die Brände verantwortlich gemacht. Der Abgeordnete Tabuchi Toyokichi sprach später von einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit. In den Wochen und Monaten nach dem 1. September 1923 kam es zu einem humanitären Notstand. Bis April 1924 verteilte die Stadt Notrationen.
Ein eindrückliches Dokument
Bis heute ist es eine der verheerendsten Katastrophen in der Geschichte Japans. Im Gedenken an das Grossee Kanto-Erdbeben wurde 1960 der 1. September zum offiziellen Tag der Katastrophenvorsorge erklärt. Seitdem werden an diesem Tag jedes Jahr gross angelegte Notfallübungen durchgeführt (zum Artikel). Wie wichtig diese sind, zeigte sich auch in diesem Jahr. Am 1. Januar 2024 verwüsteten ein Erdbeben und ein Tsunami die Halbinsel von Noto (zum Artikel). Zudem wurde kürzlich erstmals eine Warnung vor einem möglichen Erdbeben entlang der Nankai-Verwerfung ausgelöst (zum Artikel).
Der Historiker J. Charles Schencking hat sich ausführlich mit dem Grossen Kanto-Erdbeben von 1923 beschäftigt und dazu die Website greatkantoeqarthquake.com erstellt, die den Tag des Erdbebens und seine Folgen umfassend dokumentiert. Auch dem raschen Wiederaufbau bis 1930 ist ein Kapitel gewidmet. Besonders beeindruckend sind die zahlreichen Fotos, Postkarten und Illustrationen aus der damaligen Zeit. Sie machen die Website zu einem wichtigen historischen Dokument.
Das Grosse Kanto-Erdbeben war nicht die letzte grosse Katastrophe für Tokio. Nur wenige Jahre später wurde die Hauptstadt im Zweiten Weltkrieg erneut dem Erdboden gleichgemacht (zum Artikel).
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